Kulturelle Aneignung, Kolonialismus und Katalog guter Jugendschriften

Nach der Veröffentlichung des Kinderfilms «Der junge Häuptling Winnetou» im Sommer 2022 wurde Karl May und seinen Geschichten kulturelle Aneignung und Kolonialismus vorgeworfen (siehe Presseartikel unter Beiträge). Einige wenige finden, dass Karl May und andere Autoren seiner Zeit nicht mehr gelesen werden dürfen. Darum zog der Ravensburger Verlag sämtliche Produkte zurück. Der Karl-May-Verlag blieb seinem Erbe treu und erlebte eine Renaissance der Karl-May-Themen, da viele Karl May nach wie vor als lesbar empfinden.

Die Karl-May-Gesellschaft tritt im März 2023 den Vorwürfen zur kulturellen Aneignung, dem Kolonialismus und dem Rassismus mit dem wissenschaftlichen Symposium «Immer, wenn ich an den Indianer denke, kommt mir der Türke in den Sinn» entgegen. Emotionalen Angriffen wird geballte Wissenschaft entgegengehalten.

 

Doch Angriffe auf Karl May und seine Geschichten sind nichts Neues. Damit kämpfte bereits Karl May selber. Rudolf Lebius und Vertreter der katholischen Kirche warfen ihm Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung (im Sinne des heutigen Kolonialismusvorwurfs) vor und deckten ihn mit vielen Privatklagen ein. Karl May reagierte mit Leserbriefen, anonym oder mit Pseudonym, Gegenklagen und «wissenschaftlichen» Charakterstudien über seine Gegner.

Ende des 19. Jahrhunderts verlor die katholische Kirche immer mehr Einfluss im deutschsprachigen Raum. Nur die Habsburger glichen ihre Entscheide noch mit dem Papst ab. Deutschland hat sich schon unter Wilhelm I. und Bismarck vom Vatikan gelöst. Und Karl May predigt in seinen Werken Grossdeutschland, was Österreich und die Schweiz einschliesst. Die katholische Kirche sah sich also gezwungen, seinen Einfluss und seine Medienpräsenz zu brechen.

Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. seinerseits lüsterte nach Krieg. Die Hunnenrede vom 27. Juli 1900, bei der die Deutschen Truppen für ihren Einsatz in China eingestimmt wurden, zeigt diese Stimmung. Karl Mays pazifistische Erzählungen passen da nicht. Vermutlich suchte sich der Deutsche Staat einen Strohmann (Lebius), der die Medienpräsenz von Karl May brechen sollte.

Doch Karl Mays «Wissenschaft» hat die Richter nicht überzeugt.

 

Im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1982 schreibt Erich Heinemann über den Lehrer und Jugendbuchexperten Wilhelm Fronemann. 1927 begann dieser, als Mitglied der Deutschen Volkspartei, Karl May und seine Geschichten bzw. die damals erscheinende Sekundärliteratur und deren Autoren anzugreifen, weil die «völkische Erziehung» unter Karl May leide. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten (1933) vertrat er den Standpunkt, dass Karl May der nationalsozialistischen Ideologie widerspreche und darum aus den Bibliotheken verbannt werden müsse. Der Nationalsozialistische Lehrerbund NSLB führte jedoch Karl May im Katalog guter Jugendschriften.

Fronemann wies darum den NSLB auf folgendes hin: Karl May sei

  1. ein «leidenschaftlicher Verfechter einer weitgehenden Rassenmischung aus ganz sentimentalen Menschlichkeitsgründen» und
  2. ein «leidenschaftlicher Verteidiger eines verwaschenen Pazifismus» gewesen.

Dazu bezog er sich auf den Aufsatz «Karl May und der Friede» von Amand von Ozoróczy im Karl-May-Jahrbuch 1928. (Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1982 S.237)

Nachdem der Kultusminister Hans Schemm 1934 der deutschen Jugend «Karl-May-Gesinnung» wünschte, doppelte Fronemann nach: «Dieser Karl May war doch Marxist und Mitarbeiter des «Vorwärts» (eher nicht), Pazifist und begeisterter Anhänger der Bertha von Suttner (war er ganz sicher), er befürwortete jede Rassenmischung (ganz sicher nicht, denn er war auch nur ein Kind seiner Zeit!).

Da gewisse hohe Herren der Nationalsozialistischen Partei einigen (nicht allen) Karl-May-Erzählungen zugetan waren, wurde Fronemann angeraten nicht weiter gegen Karl May zu opponieren. Er tat es trotzdem. Der Leiter des NSLB warf ihm vor, dass seine Jugendbuchexpertise von Karl May und dem NS-Entscheid abhängig sei und falls Deutschland 1933 kommunistisch geworden wäre, Karl May auch als ideologiefeindlich angreifen würde.

Und tatsächlich, Mitte 1945 wandte sich Fronemann an die Deutschen Besatzer und wies sie darauf hin, dass Karl May politisch vergiftend und im Sinne des Nationalsozialismus auf die Jugend gewirkt habe. Da der Nationalsozialismus auch von Grossdeutschland träumte gibt es aus meiner Sicht da tatsächlich einen Bezug, auch wenn das Erich Heinemann vehement verneint. Aber im Gegensatz zu mir war er ja ein Kind der Nazizeit und wurde von den Amerikanern dann umerzogen, was eine Blindheit für gewisse Punkte erklären kann.

 

Allerdings zeigen uns diese Feststellungen, dass Karl May immer wieder von allen Seiten angegriffen und mit Wissenschaft versucht, wurde darauf zu reagieren. Meistens wurde damit das Öl ins Feuer gegossen. Doch trotz der hohen Flammen, bleiben Karl Mays Geschichten hoch aktuell, interessant und spannend und werden heute noch gelesen.

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