Beitrag aus Sicht eines Kinderpsychotherapeuten zum Thema «Karl May im öffentlichen Bewusstsein», vorgetragen von Peter Züllig anlässlich des Karl May Freundeskreis Treffens vom 29.2.2020 in Bubikon
In allen Kulturen und Religionen existieren dieselben Geschichten, Sagen und Mythen, die die Urgeschichte der Menschheit, die Erlebnisse, aber auch deren Beziehungen untereinander beschreiben. Themen wie Liebe, Enttäuschung, Gut, Böse, Sterblichkeit und Unsterblichkeit sind in diese Geschichten verwoben. Die Grundzüge des menschlichen Wesens und die darin gelebten Menschheitsthemen erhalten in archetypischer und metaphorischer Weise Gestalt.
Kleine Kinder leben im Symbolspiel permanent die wichtigsten Menschheitsthemen, die ja auch in Karl Mays Werken eine zentrale Rolle spielen. Und das, ohne je eine Geschichte Karl Mays gehört zu haben, geschweige denn, in Kenntnis dieser Metaphorismen oder der Menschheitsgeschichten zu sein.
Mit anderen Worten lassen diese Metaphern, oder Mythologeme, um den Begriff von Peter Züllig zu zitieren, grundlegende Eigenheiten der menschlichen Natur und die menschlichen Gefühle anklingen, ohne dass dazu gelesene Bücher, das Internet oder Netflix nötig wären.
Besonders jene Kinder – und dazu sind auch die «grossen Kinder» zu zählen – die aufgrund einschneidender Erlebnisse sensibilisiert sind für Gut und Böse, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Macht und Ohnmacht, zeigen im Spiel und/oder ihren Phantasien in hochgradig symbolischer Weise, wie Menschen Lösungen finden, Klärungen herbeiführen und wie das Gute über das Böse siegt. Diese Metaphern und die damit verbundenen Kompetenzen sind dem Menschen quasi in die Wiege gelegt und sind Antrieb für den starken Wunsch jedes Menschen für Entwicklung und damit Reifung.
Es ist damit klar, dass das menschliche Bewusstsein in jedem Zeitalter mit Karl Mays Symbolen durchtränkt sein wird und es wird wohl immer Interessierte Menschen geben, die bei deren Erforschung und Beschreibung auf den Namen Karl May stossen werden.
Dies aus Sicht eines Kindertherapeuten zu Peters hervorragendem Vortrag.
Daniel Münger, Müllheim TG, 6.3.2020